Danijel Grgic ist eine der spiel-bestimmenden Figuren beim Handball-Zweitligisten HG Saarlouis. Dabei wollte er ursprünglich Fußballprofi werden. Doch seine Mama hatte etwas dagegen. Zum Glück für den saarländischen Club.
Danijel Grgic ist eigentlich kein Muttersöhnchen. Wenn man sich das 1,86 Meter große Kraftpaket so anschaut, glaubt man auch nicht, dass seine erfolgreiche Karriere als Profi-Handballer nur aufgrund eines Verbots seiner Mutter zustande kam. Der Kapitän des Handball-Zweitligisten HG Saarlouis behauptet aber genau das: „Bei uns ist es im Winter immer sehr kalt“, erzählt der im ehemaligen Jugoslawien geborene Kroate: „Wirklich sehr kalt.
Und weil man beim Fußball immer draußen trainierte, hat mir das meine Mutter irgendwann verboten. Handball war ihr lieber, weil das immer in der Halle gespielt wurde.“ Dabei hätte der kleine „Dado“ – so lautet sein Spitzname – auch genauso gut Fußballprofi werden können, wie er sagt: „Wenn man sieht, wer heute alles im Fußball als Profi unterwegs ist und viel Geld verdient, dann bin ich mir sicher, dass ich das auch hätte schaffen können. Viele Spieler in der Dritten Liga bekommen mehr Geld als Handballer in der Ersten Bundesliga.“ Recht hat er. Und wohl auch seine Mutter: „Ich bereue nichts. Für mich war immer klar, dass mein Beruf einmal im Sport angesiedelt ist. Solange es ging, habe ich beides mitgemacht. Aber irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem ich mich für eine Sportart entscheiden musste und das war dann halt Handball.“
Heutzutage macht er eigentlich wieder beides: Handball und Fußball. „Fußball ist ein Hauptbestandteil unseres Trainings und wir spielen immer Alt gegen Jung. Das sind immer harte Duelle und so abwechslungsreich, wie eigentlich alles bei uns“, verrät der mit 33 Jahren mit Abstand Älteste im Team und lacht. Zu der Zeit, als der ehemalige kroatische Nationalspieler (25 Einsätze) im Jahr 2006 ins Saarland und zur HG wechselte, war ihm allerdings nicht zum Lachen zumute. Nur wenige Monate vor seinem zweiten Gang nach Deutschland (erstmals 1998 in die Zweite Bundesliga Nord zu Stralsund) musste der Familienmensch nämlich seine bitterste Niederlage hinnehmen – und die nicht auf, sondern neben dem Spielfeld. „Zwei Tage nach meinem Geburtstag (26. März, Anmerkung der Redaktion) ist mein Vater gestorben. Das traf mich wie ein Schlag, er war mein bester Freund“, erzählt ,,Dado“ und man spürt, dass ihm dieser Verlust noch immer sehr nahegeht: „Da kommt man ins Grübeln.
Ich weiß, es hört sich vielleicht blöd an. Aber ich glaube, das war Schicksal. Ausgerechnet in dem Jahr, als mein Vater die Diagnose Prostatakrebs bekam, wechselte ich noch einmal zu einem Verein in Kroatien. Es war so, als ob der liebe Gott mich noch einmal heimgeholt hätte, damit ich mich von meinem Vater verabschieden konnte.“
Die Diagnose kam Ende 2005 – im Sommer zuvor wechselte Grgic zu Medvescak Zagreb, dem zweitbesten kroatischen Verein. „Das Gefühl von damals ist unbeschreiblich. Von diesem Zeitpunkt an ging es auch mit dem Verein bergab. Ich weiß, das eine hat mit dem anderen ja nichts zu tun. Aber wenn man das alles mal durchdenkt, dann passt es irgendwie zusammen.“ Grgics neuer Verein wollte damals mit ihm und einigen anderen Neuzugängen in der Liga angreifen und den besten Club des Landes (gleichzeitig Grgics Heimatverein), Serienmeister Badel Zagreb, in der Liga ärgern. Aber daraus wurde nichts.
Der Verein wurde nach neun Monaten insolvent und es musste eine Entscheidung her. „Die Entscheidung, zurück nach Deutschland und dort nach Saarlouis zu gehen, traf ich damals für unsere kleine Familie. Meine Frau Ina kommt aus Deutschland, meine Kinder sind Deutsche und ich war 29 Jahre alt und wollte langsam sesshaft werden“, erklärt der stolze Vater von Tom (16) und Marko (7). „Es gab zwar auch Angebote aus Spanien, aber so ein Wechsel kam für mich nicht mehr in Frage. Unser Großer war damals in der fünften Klasse und ging bis dahin insgesamt in drei oder vier Städten zur Schule. Zuletzt in eine englischsprachige in Zagreb. Er hatte es auch nicht einfach.“
Saar statt Mittelmeer, deutsche Regionalliga statt Erster Liga in Spanien – die Wahl eines echten Sportsmannes: „Ich hatte mit Saarlouis von Anfang an irgendwie ein gutes Gefühl und das Angebot hat dann auch soweit gepasst. Im Nachhinein war es für uns und auch für den Verein die richtige Entscheidung. Wir haben sportlich fast alles erreicht, was wir uns damals – übrigens noch unter dem Trainer Richard Jungmann (jetzt Vorsitzender, Anmerkung der Redaktion) in einem Konzept erarbeitet hatten. Wir wollten in die Zweite Liga, und da sind wir jetzt.“ Und wenn es sportlich läuft, fühlt sich der Berufshandballer auch privat wohl.
Wie lange sich Danijel Grgic sowohl sportlich als auch privat in Saarlouis noch wohlfühlen kann, hängt von vielen Faktoren ab. Der wohl wichtigste Faktor dürfte das Abschneiden der HG in dieser Spielzeit sein. „Mein Vertrag läuft noch bis zum Ende dieser Saison. Ich fühle mich nach wie vor fit und will noch mindestens zwei, drei Jahre spielen. Ich habe mit dem Verein erste Gespräche geführt und die waren sehr positiv. Ich kann mir durchaus vorstellen, weiter hier zu spielen“, bekennt sich der Wahl-Deutsche zu seiner neuen Heimat. Ob er die alte Heimat vermisst? „Nö. Meine Mutter und meine Schwester vielleicht, aber die Heimat an sich nicht. Ich gehe gerne hin. Im Sommer sowieso, aber ich bin schon so lange in Deutschland, dass ich mich als Deutscher fühle.“ Dabei sind vor allem die sportlichen Erinnerungen an seine ersten Jahre als Aktiver (1996 bis 1998 bei Badel Zagreb) durchaus rosig. Gleich zweimal stand der junge Grgic im Finale der Champions-League: „Das war alles schön und gut, aber da waren immer gute Nationalspieler dabei, an denen es schwer war, vorbeizukommen. Dann habe ich nach einer neuen Herausforderung gesucht und wollte mir meinen großen Traum, in der Ersten Bundesliga zu spielen, erfüllen. So ging ich dann in jungen Jahren nach Deutschland. Und das habe ich nicht bereut.“
Mit Anfang 20 in ein Land zu ziehen, dessen Sprache man nicht einmal ansatzweise beherrscht, ist mutig. „Ich habe früher zwar oft Handball im Deutschen Fernsehen geschaut, aber dabei immer den Ton abgeschaltet“, sagt Grgic heute in fast akzentfreiem und wortreichem Deutsch. Sein Mut wurde belohnt. Noch vor den drei Jahren in der Bundesliga (2002 bis 2005 mit SG Willstätt-Schutterwald und ThSV Eisenach) bezeichnet der 33-Jährige die auch dank ihm bei der HG Saarlouis eingetretene Entwicklung als größten Erfolg seiner Karriere.
Insgeheim wird dies nur noch von der Tatsache getoppt, dass „klein Dado“ seinen Beruf bei Wind und Wetter in einer warmen und überdachten Halle ausüben kann – so wie Mama Grgic es sich gewünscht hat.
Zur Person:
Danijel Grgic wurde am 26. März 1977 in Zagreb geboren. Der 1,86 Meter große Rückraumspieler spielte bis 1997 bei Badel 1862 Zagreb, anschließend von 1998 bis 2002 beim Stralsunder HV, von 2002 bis 2003 bei der SG Willstätt-Schutterwald. Von 2003 bis 2005 stand er beim ThSV Eisenach, danach 2005 bis 2006 bei Agram-Medvescak Zagreb unter Vertrag. Seit Sommer 2006 ist der 33-Jährige bei der HG Saarlouis am Ball, wo er die Rückennummer 17 trägt. Sein Vertrag läuft bis zum Sommer 2011. Mit Badel Zagreb spielte Grgic 1996 und 1997 in der Champions League. Mit Willstätt/Schütterwald und Eisenach spielte er in der 1. Handball-Bundesliga. Beim Stralsunder HV wurde er in der 2. Handball-Bundesliga einmal bester Torschütze (245 Tore). Für die Kroatische Männer-Handballnationalmannschaft absolvierte er insgesamt 25 Spiele. Danijel Grgic ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Veröffentlicht am 13. Dezember 2010 in FORUM – Das Wochenmagazin.