Ex-FCS-Stürmer Akpoborie ist seit Anfang Dezember auf der Kino-Leinwand zu sehen
Köln. Jonathan Akpoborie war vor 25 Jahren Fußball-Weltmeister. Noch heute gerät er ins Schwärmen, wenn er von dem größten Erfolg seiner Karriere erzählt, der gleichzeitig den Start in ein neues Leben bedeutete: „Bei einem Spiel meiner damaligen Mannschaft, der Queens Park Rangers in Lagos, wurde ich von einem Scout der U17-Nationalmannschaft entdeckt“, erinnert sich der heute 42 Jahre alte ehemalige Profi-Stürmer. „Ich wurde zu einem Lehrgang bestellt und durfte mit zur Weltmeisterschaft nach China fahren. Die haben wir dann gewonnen, und von da an war alles wie in einem Traum.“
Aus den Ghettos der damaligen nigerianischen Hauptstadt Lagos schaffte Akpoborie anschließend den Sprung nach Europa, wurde 1996 mit der Nationalmannschaft Olympiasieger und verdiente mit seinem Talent viel Geld. Geld, mit dem er seine Familie in Afrika nachhaltig unterstützen wollte.
Aber im Gegensatz zu vielen Torschüssen im Laufe seiner Karriere ging dieser Schuss nach hinten los: „Für mich war es eine Verpflichtung, meine Familie zu unterstützen. Und dafür wollte ich ihr ein lukratives Geschäft ermöglichen. Ich traf meine Brüder und fragte sie, was der Familie am meisten helfen würde“, erzählt das zweitjüngste von insgesamt zwölf Geschwistern, „und sie entschieden sich dafür, eine Fähre zu betreiben“.
Also kaufte Akpoborie Ende der Neunziger ein Schiff, taufte es mit „Etireno“ auf den Namen seiner Mutter und stellte es der Familie für den wirtschaftlichen Betrieb zur Verfügung. Eine Entscheidung, die Akpoborie im Jahr 2001 ein unrühmliches Karriere-Ende bescherte.
Die eben zitierten Sätze spricht der ehemalige nigerianische Nationalspieler nämlich in einem Dokumentarfilm, der die Umstände, die zum Ende seiner Laufbahn beigetragen haben, näher beleuchten soll. Der Film heißt „Das Schiff des Torjägers“ und ist seit Anfang Dezember 2010 im Kino zu sehen. Darin wird aufgerollt, wie es dazu kam, dass Akpoborie im April 2001 über Nacht von seinem damaligen Arbeitgeber VfL Wolfsburg entlassen wurde. An Bord der „Etireno“ wurden zu dieser Zeit 43 Kinder gefunden, von denen mehrere nach ihrer Ankunft im westafrikanischen Benin als Kindersklaven verkauft werden sollten. Ein gefundenes Fressen für die Medien – und letztlich der Grund, weshalb der VfL ihn entließ. Und das, obwohl ihm bis heute keine Verbindung zum Kinderhandel nachgewiesen werden konnte.
Als Fußball-Profi kümmerte sich Akpoborie nicht um den laufenden Betrieb und wusste daher nach eigenen Angaben nichts von dem Missbrauch seiner Fähre. Auch Dritte nutzten Akpobories Popularität, um ein ernsthaftes Problem öffentlichkeitswirksam auf die mediale Tagesordnung zu hieven. „Ich mache denen, die mich damals im Voraus verurteilt haben, keinen Vorwurf. Diese Leute haben sich nur an das gehalten, was Unicef behauptet hatte, ohne eine Untersuchung abzuwarten“, sagt der Nigerianer im Gespräch mit der SZ und kommt zu dem Schluss: „Heute kann man sagen: Das war eine Lüge. Und dafür muss die Unicef die Verantwortung übernehmen und erklären, wie es dazu kommen konnte. Jetzt, wo die Fakten auf der Hand liegen.“
Und dafür ist der ehemalige Stürmer des 1. FC Saarbrücken vor allem der Regisseurin des Films, Heidi Specogna, dankbar: „Eigentlich wollte ich mich zu dieser Angelegenheit nicht mehr äußern. Aber dann wurde ich überredet und habe dem Ganzen zugestimmt. Jetzt muss ich sagen: Heidi hat das sehr gut gemacht, und jede Seite kommt in dem Film zu Wort. Der Zuschauer kann sich ein eigenes Bild von der Situation machen.“
Dass sein Abbild nun über die Leinwände der deutschen Kinos flimmert, beeinflusst seinen jetzigen Beruf peripher. Heute arbeitet Akpoborie als Fifa-Lizenzierter, internationaler Spieler-Agent und vermittelt vornehmlich afrikanische Fußball-Talente an Vereine in Europa. „Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß. Ich profitiere davon, dass ich früher selbst erfolgreich Fußball gespielt habe“, bekennt sich der 42-Jährige zu seiner Tätigkeit und gesteht auf Nachfrage lachend: „Trainer zu werden, das war für mich nie ein Thema. Den Stress, den man hat, wenn man eine ganze Mannschaft trainiert, wollte ich mir nicht antun.“
Vielleicht findet eines der von ihm gesichteten Talent wie er damals den Weg nach Europa – und ins Saarland. Der 1. FC Saarbrücken war zwischen 1990 und 1992 seine erste Profi-Station in Deutschland und 2001 auch seine letzte. Nach dem Rauswurf in Wolfsburg machte der Sympathieträger noch vier Spiele im blau-schwarzen Dress, ehe ihn ein Knorpelschaden im Knie endgültig in die gleichen zwang: „Die Verletzung und die ganze Geschichte mit Unicef hat mich damals ziemlich runtergemacht. Ich hatte gehofft, dass ich wieder gesund werde und meine Leistung bringen kann. Ich glaube auch, dass der FCS dann gar nicht aus der 2. Liga abgestiegen wäre“, erinnert sich der fast beschämt wirkende Akpoborie und fügt nahezu rechtfertigend an: „Aber wenn man so viele Probleme im Kopf hat, und dann kommt auch noch eine Verletzung dazu. Das hat meine Karriere kaputt gemacht.“ Dennoch verbindet er viele positive Erinnerungen mit dem FCS: „Wir sind damals in die Bundesliga aufgestiegen. Das war eine tolle Zeit, an die ich mich immer erinnern werde.“
Heute, 18 Jahre später und neun Jahre nach seinem ungeplanten Karriere-Ende, spielt er wieder Fußball. In einer Szene aus „Das Schiff des Torjägers“ ist er beim Kicken mit Freunden und in einem Trikot von Borussia Dortmund, die Nummer 18 von Viktor Ikpeba, zu sehen. „Oh ja, ich habe wieder Spaß am Fußball spielen. Ohne geht gar nicht“, sagt Akpoborie.
Zur Person
Jonathan Akpoborie wurde am 20 Oktober 1968 in Lagos/Nigeria geboren und absolvierte für sein Heimatland zwölf Länderspiele (vier Tore). In Deutschland war er in der 1. und 2. Bundesliga aktiv für den 1. FC Saarbrücken (1990 bis 1992 und 2001, 57 Spielen/9 Tore), den FC Carl Zeiss Jena (1992 bis 1994, 74/26), die Stuttgarter Kickers (1994/1995, 32/37), den SV Waldhof Mannheim (1995, 18/9), Hansa Rostock (1996 bis 1997, 47/20), den VfB Stuttgart (1997 bis 1999, 58/21) und den VfL Wolfsburg (1999 bis 2001, 39/20).
Veröffentlicht am 29. Dezember 2010 in der Saarbrücker Zeitung.