Quierschieder? Es kann nur einen geben!

Foto: Andreas Schlichter
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Fotos: Andreas Schlichter – fotoschlichter.com

Lutz Maurer befindet sich seit Wochen in einer sehr speziellen Situation. Der 50-Jährige ist seit Anfang März dieses Jahres Kandidat bei der Bürgermeisterwahl im saarländischen Quierschied und befindet sich seither im Wahlkampf. Das allein ist nichts Besonderes. Besonders ist, dass er allein ist. Maurer ist nämlich der einzige Kandidat, der zur Wahl steht. Die Bürgerinnen und Bürger aus Quierschied, Fischbach, Camphausen und Göttelborn stimmen am kommenden Sonntag, den 31. Mai nur noch darüber ab, ob der Parteilose Bürgermeister werden soll, oder eben nicht. Mit Dirk Noll fand sich zwar ein Gegenkandidat, allerdings erreichte dieser nicht die erforderlichen 99 Unterschriften der Bevölkerung, um zur Wahl zugelassen zu werden. Maurer würde im Falle eines für ihn positiven Wahlausgangs Nachfolger der früheren Landtags-Vizepräsidentin Karin Lawall (SPD), die nach acht Jahren aus Altersgründen Anfang 2016 aus dem Amt scheiden wird. Lawalls SPD und die CDU des Fraktionsvorsitzenden Timo Flätgen haben Maurer und seinem Slogan „Einer für alle“ früh ihre Unterstützung zugesagt.

„Es ist nicht unbedingt leichter als einziger Kandidat“, sagt Lutz Maurer und blickt gedanklich auf seinen mehrwöchigen Wahlkampf ohne echten Gegner zurück: „Ein banales Beispiel: Eine Podiumsdiskussion macht schon einmal keinen Sinn, weil es keine Unterschiede herauszuarbeiten gilt. Von daher habe ich das persönliche Gespräch mit den Wählern gesucht und konnte dabei Vieles aufnehmen.“ Es braucht nicht die Brille eines Politikwissenschaftlers um festzustellen, dass Wahlen, bei denen es nur einen Kandidaten gibt, nicht den Idealtypus der demokratischen Idee darstellen. Auch die zuletzt überall schrumpfende Wahlbeteiligung dürfte dadurch keine historische Trendwende erleben. Dennoch könnte es in diesem Falle demokratischen Prozessen in Quierschied zuträglich sein. Maurer weiß, dass er sich nicht per se der Gemeinderatsmehrheit sicher sein kann. Das will er auch gar nicht. „Als Bürgermeister ist es gut, frei und unabhängig im Sinne und zum Wohle der Gemeinde entscheiden zu können“, sagt er und sieht Kontakte in unterschiedliche Parteien als Vorteil: „Natürlich muss man auch Netzwerke nutzen, um gute Entscheidungen treffen und vor allem auch umsetzen zu können.“

„Warum tut er sich das an?“

Foto: Andreas Schlichter
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Die Reaktionen aus dem persönlichen Umfeld auf die Kandidatur waren unterschiedlich. Einige seiner Freunde und Bekannten fragten sich: „Warum tut er sich das an? Er hat doch einen guten Job.“ Andere wiederum riefen ihm zu: „Du bist genau der richtige Mann.“ Letzteres trifft unbestritten auf die Meinungen seiner Frau Sandra (44 Jahre) und seines Sohns Matthis (14) zu. Ersteres eher auf seinen Arbeitgeber, der ihn nach 16 Jahren nur sehr schweren Herzens ziehen lässt. Bei der weltweit agierenden Firma Dürr aus Püttlingen war Lutz Maurer Leiter des Projektcontrollings und somit für viele Bereiche zuständig, die auch dem Aufgabenpool eines Bürgermeisters zuzuordnen sind: Kaufmännisches und Vertragswesen ebenso wie Prüfung und Evaluierung von Zahlen und Statistiken. Das geschah nicht selten bei Kunden vor Ort – und das wiederum nicht selten in Asien. „Mir wäre die häufige Fliegerei nach China auf den Keks gegangen. Und mit 50 darf man ruhig noch einmal die Richtung ändern“, meint Klaus Schuh und ergänzt: „Ich habe mich auch erst gefragt, warum er sich das antun will. Er geht als Bürgermeister ja nie vor die Tür und ist nicht auf der Arbeit. Aber dann dachte ich mir: Lutz ist dafür genau der richtige Typ.“ Schuh ist einer von Maurers besten Freunden, beide kennen sich seit über 30 Jahren: „Er ist ein ehrlicher Knochen, sehr verlässlich und durchaus auch unterhaltsam“, beschreibt Schuh seinen Freund, der gleichzeitig Patenonkel seiner neunjährigen Tochter Lena ist. „Sie ist natürlich ganz stolz auf ihren Pat“, verrät Schuh, „Überall im Ort sind Plakate zu sehen und liegen Flyer von ihm aus. Das beeindruckt sie schon sehr.“

Erste Kontakte zur Kommunalpolitik kamen über die ehrenamtliche Tätigkeit als Vorsitzender des Fußballvereins Sportvereinigung Quierschied zustande. Als dieser – gerade in die unterste Spielklasse abgestiegen – 2009 einen Vorstandsvorsitzenden suchte, ließ sich Maurer von Sighard Groß und vom früheren Quierschieder Bürgermeister und aktuellen Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion Klaus Meiser zur Kandidatur überreden. Offensichtlich zu beider Seiten Vorteil: der Verein ist in den vergangenen sechs Jahren drei Mal aufgestiegen, hat sein Gelände mit einem Kunstrasenplatz aufgewertet und steht auch wirtschaftlich wieder auf gesunden Füßen. Mit gesunden Füßen kickte Maurer auch schon selbst für den Club. Im Alter von fünf Jahren ging es los – nach der A-Jugend war aufgrund des Wehrdienstes und des BWL-Studiums in Mannheim für den Linksaußen Schluss. Über seinen 14-jährigen Sohn Matthis Maurer, mittlerweile Innenverteidiger beim C-Jugend-Regionalligisten 1. FC Saarbrücken, kam er dann wieder intensiver mit seinem Heimatverein in Kontakt und wurde wie beschrieben wenig später dessen Vorsitzender.

„Bei ihm stimmt einfach die Mischung“

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„Lutz zieht das, was er sich vorgenommen hat, immer zu 100 Prozent durch. Er geht aufrichtig und ehrlich auf jeden zu, handelt sehr verantwortungsbewusst und hat wie jeder Mensch auch Ecken und Kanten“, sagt Jürgen Andreis, der fünf Jahre lang als 2. Vorsitzender zusammen mit Maurer den Verein führte: „Man kann sagen: Er hat einen sehr großen Anteil daran, dass sich bei der Spvgg. Quierschied alles zum Positiven bewegt hat.“ Besonders schätzt Andreis die Eigenschaft, dass „er auch bereit ist, eine andere Idee seiner vorzuziehen, wenn sie auch wirklich besser ist. Dann versucht er mit aller Entschlossenheit, diese neue Idee umzusetzen.“ Gerade bei Kontroversen die Rolle des Moderators zu übernehmen, kann einem parteilosen Verwaltungschef nur zu Gute kommen. Auch Klaus Meiser sieht hier Maurers Stärken: „Die Fähigkeit, die Menschen einzubinden verbindet er mit Führungskraft und der Gabe, Entscheidungen fällen und durchsetzen zu können. Bei ihm stimmt einfach die Mischung, um das Amt des Bürgermeisters ausfüllen zu können.“ Für seinen Heimatverein bezeichnet Meiser den 50-Jährigen als „Glücksfall“. Der Verein würde von ihm vorbildlich geführt und habe sich sowohl sportlich als auch wirtschaftlich „hervorragend konsolidiert“, lobt der Berufspolitiker und betont: „Dadurch, dass viele Quierschieder Jungs bei der Sportvereinigung spielen, hat sich auch wieder eine hohe Identität mit dem Verein entwickelt.“ Das alles will sich Maurer nicht alleine zuschreiben lassen. „Ich war ja nur eine Person im Vorstand. Die wesentlichen Schritte haben wir als Team entschieden“, sagt er und gibt zu: „Die Herangehensweise war und ist eine mit einem hohen Arbeitsaufwand, aber eben auch mit den entsprechenden positiven Ergebnissen.“ Dass er diese Aufgabe künftig nicht mehr ausüben wird, bedauert er sehr: „Die Weiterführung des Amtes ist zwar rechtlich nicht untersagt, aber lässt sich natürlich nicht miteinander vereinbaren und das tut schon weh“, muss er eingestehen.

Die Zielgruppe erweitert sich von Vereinsmitgliedern zu den Bürgerinnen und Bürgern der gesamten Gemeinde Quierschied. Die beschreibt Lutz Maurer, der schon immer in Quierschied lebte und dort im Eigenheim wohnt, wie folgt: „In Quierschied sind die Leute sehr offen. Wir haben hier eine recht große und breite Vereinskultur in allen Bereichen. Sei es Sport, Kultur, Hilfsdienste oder andere. Auf dieser Schiene wird auch unheimlich viel für die Gemeinde getan.“ Natürlich denke er auch an eine Zeit von vor 20, 30 Jahren, als es um die Gemeinde vor allem wirtschaftlich besser stand. „Die ortsnahe Arbeitsplatzsituation wird auch nicht mehr so werden wie zu Bergbau-Zeiten. Da muss man heute eben kleinere Brötchen backen“, weiß er. Für seine sachliche Art bekam er während des „Wahlkampfs“ überwiegend positive Rückmeldungen: „Natürlich war das Thema ‚einziger Kandidat‘ das am häufigsten angesprochene. Sehr positive Rückmeldung bekam ich allerdings für den Umstand, selbst keiner Partei anzugehören“, berichtet Maurer und hofft auf möglichst wenige „Nein“-Stimmen, eine „vernünftige“ Wahlbeteiligung und der damit einhergehenden Legitimation der Bevölkerung. Aus der speziellen Situation des einzigen Kandidaten würde sich dann die gar nicht so ungewöhnliche des einzigen neuen Bürgermeisters von Quierschied ergeben.

Verfasst für FORUM – Das Wochenmagazin im Mai 2015.

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